Von Rudolstadt nach Jena umzuziehen, erscheint problemlos, nicht aber für Flüchtlinge, die an den Ort der Unterkunft gebunden sind. Doch ein junger Afghane lernt in Jena und möchte dort auch wohnen. Jena. Plötzlich hieß es, er sei ein Spion, nur weil er für die „Ärzte ohne Grenzen“ von seiner Heimatsprache Paschtu ins Englische übersetzte und umgekehrt. Immer wieder seien die Taliban gekommen und hätten gedroht. In anderen Orten, bei anderen Familien hätten sie auch brutale Morde auf ihre Drohungen folgen lassen, weiß Ahmad Zaki Farooqi zu berichten.
Der junge Afghane, der nach dem College-Abschluss und dem Erwerb des Abiturs sein Geld mit dem Dolmetschen verdiente, sah sich zunehmend in die Enge getrieben und spürte, dass es gefährlich wurde. Am Ende wusste er nur noch einen Ausweg: die Flucht nach Europa, nach Deutschland, wo er nun schon seit 15 Monaten lebt. Als Flüchtling wohnt er in der Unterkunft in Rudolstadt. Doch untätig herum zu sitzen, ist nicht sein Ding. Da er bereits recht gut Deutsch sprechen kann, möchte er einen Beruf erlernen. So entdeckte er den Ausbildungsgang zum Technischen Assistenten für Informatik am Berufsschulzentrum Göschwitz und begann eine zweijährige Ausbildung.
Ausbildung durch Fahrtkosten gefährdet
Doch die tägliche Fahrt mit der Bahn von Rudolstadt nach Jena kostet Geld. Der 26-jährige Afghane erhält aber nur den Hartz-IV-Regelsatz von rund 400 Euro, wovon er auch noch seine Verpflegung bezahlen muss. Da wiegen 108 Euro für eine Monats-Fahrkarte schon sehr schwer. Die Möglichkeit der Beantragung von Bafög habe der junge Mann schon ausprobiert, erzählt sein Ausbilder Uwe Schädel, der mit seinem Azubi auch ganz zufrieden ist. Doch der Antrag auf Bafög sei abgelehnt worden. Die naheliegende Idee für Ahmad und für seinen Ausbilder: Der junge Flüchtling zieht nach Jena um und kann in seine Berufsschule laufen. Doch einem ersten Vorstoß dazu war bei der Stadtverwaltung kein Erfolg beschieden. Die Wohnheimplätze in Jena seien belegt, und außerdem sollen ja auch Unterkünfte geschlossen werden, hieß es. Doch wäre es jammerschade, meint Uwe Schädel, wenn die Ausbildung eines willigen jungen Menschen gefährdet würde. Wäre hier keine unbürokratische Hilfe möglich? Das fragte er auch den Jenaer Stadtrat und Ortsteilbürgermeister Volker Blumentritt (SPD). Der schloss sich der Meinung Schädels an und sprach mit dem Landrat von Saalfeld/Rudolstadt, Marco Wolfram. Der signalisierte, dass ein Wechsel von Ahmad durchaus sinnvoll wäre und man hier schon eine Ausnahme machen sollte, damit die Ausbildung nicht scheitern muss.Auch eine Anfrage dieser Zeitung beim Integrationsbeauftragten der Stadt Jena, Andreas Amend, ergab, dass die Chancen wohl gut stehen für einen Umzug von Ahmad nach Jena. Allerdings müsse man in solchen Fällen genau abwägen, um nicht zu viele Nachahmer zu ermuntern. Eine Ausnahme könne nur bei wichtigen Gründen erfolgen.Die sehen Blumentritt und Schädel hier auf jeden Fall. Und auch Frank Weingart, stellvertretender Schulleiter des Berufsschulzentrums Göschwitz, würde es begrüßen, wenn der junge Afghane weiter in Göschwitz lernen könnte. Man habe schon ganz gute Erfahrungen mit der Ausbildung von Flüchtlingen, sagt Weingart und verweist vor allem auf die drei Sprachklassen, in denen derzeit 43 geflüchtete Menschen Deutschkenntnisse erwerben und erweitern. Sie kommen zumeist aus Syrien, Eritrea, dem Irak, Afghanistan, dem Kosovo und Albanien. Die bisherige Erfahrung sei, dass ein Drittel der dabei Ausgebildeten nach diesem Jahreskurs weitergehen können in ein berufsvorbereitendes Jahr. Die Qualität der mitgebrachten Bildung sei jedoch sehr unterschiedlich. Nicht immer stimmten die beruflichen Richtungen des Berufsschulzentrums wie Bau, Gastronomie, Elektro oder Metallbearbeitung mit den Vorstellungen überein, die junge Flüchtlinge so mitbringen. Wichtig sei es, so Weingart, diese jungen Menschen mit den Möglichkeiten vertraut zu machen und Lust auf Qualifikation zu wecken. Auf jeden Fall sei das Interesse der Wirtschaft in der Region an guten Absolventen des Göschwitzer Berufsschulzentrums groß, meint Weingart und verweist auf zahlreiche Besuche von Firmenvertretern bei ihm. Die Betriebe suchen Praktikanten, aus denen dann oft Mitarbeiter werden. Bei Ahmad ist die Lust auf das berufliche Lernen jedenfalls bestens ausgeprägt. Er möchte nach seiner zweijährigen Ausbildung als Assistent für Informatik auch gern in diesem Beruf arbeiten und hofft nun, dass er bald in Jena wohnen kann, damit er seine Ausbildung fortsetzen kann.