Polarlichter über Jena und wie entstehen diese?
Ein spektakuläres Naturschauspiel war in der Nacht vom Freitag zum Samstag über Jena, nein eigentlich über dem gesamten Zentraleuropa zu beobachten – Polarlichter. Los ging es gegen 21:30 Uhr und bis 2 Uhr hielt das Phänomen die erstaunten Augen vieler Interessierter offen. Der erste Höhepunkt war dabei gegen 22:30 Uhr zu beobachten und nach einer Phase eines grünen Schleiers am Horizont kochte dann der Himmel gegen 0:30 Uhr nochmals richtig auf. Sonnenstrahlähnlich zogen die Farbstriemen vom Zenit des Nachhimmels Richtung nördlicher Horizont. Aber auch grüne „Wolken“ am südlichen Himmel ließen die Köpfe der Beobachter ständig hin- und herdrehen. Bereits mehrere Male zeigte sich dieser seltene Gruß der Sonne in diesem Jahr über Jena. Allerdings, eine derartig starke Erscheinung hatte es in Jena letztmalig im Oktober/November 2003 und im März 1991 gegeben. Der Autor dieser Zeilen kann sich daran noch gut erinnern.
Die Stärke der Polarlichter von 8,3 bis 8,6 in der Kp-Skala lies auch südliche Beobachtung bis ins italienische Florenz oder das französische Marseille zu. Dafür mussten dieses Mal die typischen Regionen um den Polarkreis in Skandinavien auf das Schauspiel verzichten. Die Stärke der Polarlichter ließ sogar die Kommunikation zu einigen Satelliten zusammenbrechen und einige Stromnetze in Schweden und in Nordamerika kollabierten.
Da dies eine Schulwebseite ist, möchten wir natürlich auch die Entstehung der Polarlichter erklären. Polarlichter werden auch Nordlichter oder Aurora oder Aurora borealis (auf der Südhalbkugel Aurora australis) genannt. Auf der Sonnenoberfläche kommt es von Zeit zu Zeit zu Sonneneruptionen – zu Ausbrüchen (zum Ausstoß) von Plasma. Plasma ist wiederrum der 4. Aggregatzustand der Materie, bei dem durch die hohe thermische Energie der Atome die Elektronen aus der Atomhülle herausgelöst sind und beim Wasserstoff somit Elektronen und Protonen voneinander getrennt sind. Diese Protonen, Elektronen und ein wenig Heilum werden aus der Sonne geschleudert. Die Eruption selbst entsteht durch die Verbindung verschiedener Magnetfelder in der Sonne, den sogenannten Magnetfeldschläuchen, die dann bei der Vereinigung gemeinsam eine so hohe Energie besitzen, dass die Teilchen wie eine Explosion aus der Sonne ausgespuckt werden. Ist die Energie groß genug, dann können die Teilchen mit einer hohen Bewegungsenergie das Gravitationsfeld der Sonnen verlassen.
In unseren Fotos sind Spektralaufnahmen der Sonne vom Morgen des 11.05.24 zu sehen. Die Polarlichter sind auf den großen Sonnenfleck rechts unten zurückzuführen. Zum Zeitpunkt des Ausbruchs befand sich dieser etwas links vom Zentrum der Sonne (diese dreht sich für uns gesehen von links nach rechts). Nun müssen noch mehrere Zufälle zusammentreffen. Die Sonneneruption muss an der richtigen Stelle sein (nutzt ja nix auf der erdabgewandten Seite) und die Teilchen müssen schnell genug sein. Um nun die Polarlichter beobachten zu können, muss man auf der Erde an der richtigen Stelle sein und es geht nur Nachts bei wolkenfreiem Himmel.
Gut, zurück zur Sonne. Die ausgestoßenen Teilchen fliegen nun unter dem Begriff Sonnenwind oder Sonnensturm Richtung Erde. Die Erde wiederrum besitzt ein Magnetfeld, welches uns vor kosmischer Strahlung schützt. In der Wechselwirkung zwischen dem Erdmagnetfeld und der Bewegungsrichtung des Sonnenwindes kommt es zu Ablenkung des Sonnenwindes. Die sogenannte Lorenzkraft sorgt für eine Änderung der Bewegungsrichtung, so dass dieser normalerweise in Form eines Ringes in nördlichen und südlichen Breitengraden in die obersten Schichten der Atmosphäre (speziell in der Ionos- und der Mesosphäre) eintritt.
Bis hierher hat der Sonnenwind normalerweise 2 bis 20 Tage (gewöhnlich 2 bis 3 Tage) benötigt. Haben die Teilchen richtig viel Energie, dann kann der Sonnenwind auch schon nach 18 Stunden die Erde erreichen. Dies ist jetzt der Fall gewesen, so das die Ablenkung durch das Erdmagnetfeld nicht so stark wirkt und der Sonnenwind südlicher auf die Atmosphäre trifft und die Polarlichter somit in südlicheren Regionen entstehen. Unter den Fotos ist eine Darstellung der Beobachtungen – viele in unseren Breitengraden und nix im Norden. Vielleicht noch zur Energie der Sonnenstürme. Diese lässt sich über die Geschwindigkeit der Teilchen definieren. Langsame Sonnenwinde haben eine Geschwindigkeit von 400km/s und schnelle von 800km/s (gleich 2.160.000 bis 2.880.000 km/h). Beim Erreichen der Erde nach 18 Stunden hatten die Stürme sogar eine Geschwindigkeit von 2300 km/s.
Nun aber endlich zur Entstehung der Polarlichter in der Atmosphäre. Die elektrisch geladenen Teilchen treten in die Atmosphäre ein. Die Elektronen und Protonen werden von den hauptsächlich dort noch gering vorhanden Sauerstoff- und Stickstoffatomen gebremst. Ein Teil der dabei freiwerdenden Energie sorgt für das Anheben von Elektronen der Atome aus den energiearmen Orbitalen in energiereichere Orbitale (höhere Energieniveaus). Da das Bestreben aber immer die Einnahme des energieärmsten Niveaus ist, springen die Elektronen wieder zurück und geben dabei Energie in Form von Licht ab. Entsprechend dieses Quantensprungs leuchten Sauerstoffatome grün und rot und Stickstoff blau bis violett. Da die Teilchen sehr energiereich sind, die die Erde in diesem Fall Mitteleuropa erreichen, erscheinen sie meist rot und violett.
Rotes und violettes Licht entsteht in Höhen von 150 bis 300km – also in der Ionosphäre. Grünes Licht entsteht dagegen in Höhen von 70 bis 150km. Trotz der hohen Energie der Teilchen im Fall Mitteleuropa, entstehen die Polarlichter in höhen von 150 bis 300km und treten nicht so tief in die Atmosphäre ein. Es scheint zwar ein Widerspruch zu sein, aber in der Wechselwirkung mit dem Erdmagnetfeld treten die Teilchen hier so schräg ein, dass sie kaum bis in die Mesosphäre vordringen und damit nur selten grüne Polarlichter zu beobachten sind. Anders in nördlichen Breitengraden. Hier steht die Richtung des Erdmagnetfeldes günstig zur Bewegungsrichtung des Sonnenwindes. Dort können die Teilchen auch bis in Höhen von 70km vordringen. Hier entsteht dann vornehmlich grünes Licht. Warum sieht man dort so wenig rotes und violettes Licht? Das ist die einfachste Erklärung hier im Text. Das grüne Licht entsteht weiter unten, leuchtet heller und überlagert (verdeckt) das darüber entstehende rote und violette Licht.
Zum Schluss noch 2 Fakten. 1. Die Sonne hat verschiedene Zyklen, in denen die Aktivität höher und damit die Wahrscheinlichkeit der Beobachtung besser ist. Dieser Zyklus beträgt zwischen den Höhepunkten ca. 11 Jahr. Jetzt im Mai soll der Höhepunkt sein. Und noch der 2. Punkt: Was versteht man unter dem Kp-Wert. Der Kp-Index (Kennziffer planetarisch) ist ein Globalindikator der geomagnetischen Aktivität, dessen Intensität durch Werte von 0 bis 9 bestimmt wird. Ausgehend vom Kp-Index und der geografischen Breite können Sie sofort ermitteln, ob die Aussichten zur Beobachtung von Polarlichtern gut sind oder nicht. Da die bewegten geladenen Teilchen auch ein Magnetfeld erzeugen, beeinflussen bzw. verändern sie unser Magnetfeld, was mit weltweit aufgestellten Magnetometern gemessen werden kann.
Die Fotos hier im Beitrag sind übrigens auf dem Jenaer Jägerberg mit Blick auf den Ort Rödigen entstanden.
Nun noch ein Wort zu unseren handyaffinen Schülern (wenn sie es mit Lesen bis hier her geschafft haben). Es ist zwar schön die Welt via TikTok und Insta zu erleben. Es ist aber immer noch besser selbst die wertvolle Lebenszeit für reale Erlebnisse in der Natur zu nutzen. Und wenn schon eine App, dann empfehlen wir die Polarlichtapp (Meine Polarlicht-Vorhersage -Aurora). Mit ein wenig Analyse gibt es ein gutes Gefühl die Zeiten zu ermitteln, wenn man mal vor die Tür gehen sollte (raus aus der Stadt in Bereiche mit geringem Lichtsmog). Immerhin gibt es jedes Jahr 10 bis 20 Möglichkeiten Polarlichter in Deutschland zu beobachten.
Nachtrag: Es war kosmischen Raum der schwerste elektromagnetische Sturm seit 1962, der lt. Nasa einige Satelitten (unter anderem die Kommunikation von Starlink) beeinflusste. In Punkto Polarlichter wurde die gleiche Stärke wie 2003 erreicht. Samstag Abend sowie in der Nacht von Sonntag auf Montag waren die Polarlichter nochmals schwach sichtbar.
Urheber der Sonnenwindgrafik: https://www.weltderphysik.de/
Urheber der Sonnenspektren: NASA – https://soho.nascom.nasa.gov/data/realtime-images.html