Ein Bericht zur Umweltschule im Schulalltag: Das EU-Planspiel „Tank oder Teller“ 2011
Im Rahmen eines Planspiels, das von der Europäischen Kommission anlässlich der BuGa 2009 erarbei-tet wurde, trafen sich die Schüler der Klassen BTA 10 (Biologisch-technische Assistenten, seit 2010) und BTA 11 am 2. November 2011 zu dem Thema „Tank oder Teller“. Angeleitet von Frau Ladwig-Tils schlüpften die 19 Schüler in acht verschiedene Gruppenrollen, die sich mit dem Thema Biosprit im Rahmen eines geplanten Gesetzesvorschlages der Europäischen Kommission beschäftigten. Als Team zu agieren und sich in die Motive anderer hineinzuversetzen, stand genauso im Mittelpunkt, wie das Vertreten und Bewerten von Argumenten rund um die Chancen und Risiken von Biotreibstoffen.
Im Konferenzraum von Haus 1 startete der Projekttag um 9.30 Uhr. Die Anordnung des Raumes, eine U-förmige Aufstellung der Tische, stimmte die Schüler bereits von Beginn auf den offenen und kom-munikativen Charakter dieses Projektes ein. Frau Zapfe als verantwortliche Lehrerin begrüßte Frau Ladwig-Tils, die zwecks dieses Projekttages nach Göschwitz gekommen war. Anschließend zeigte Frau Ladwig-Tils die Bedeutung des Themas und die Ziele des Projektes auf. So gehört das Thema Biosprit zur Umweltpolitik der EU, da es deren Ziel der Senkung der CO2-Emission um 20 Prozent bis 2020 (seit 1990) maßgeblich unterstützten könnte. Außerdem befindet sich die Herstellung von Biokraft-stoff im Spannungsverhältnis mit der Nahrungsmittelproduktion, da für 100l Biokraftstoff 250kg Ge-treide verwendet werden, was zur Produktion für 500 1kg-Brote reichen würde.
Um sich mit den Konsequenzen der Verwendung von Biosprit zu beschäftigen, wurden die Schüler zufällig in acht Gruppen eingeteilt, deren Rolle sie für den Rest des Vormittags übernehmen sollten. So konnten sie Teil des G esetzesentstehungsprozesses der EU werden und miterleben, wie es zur Erstellung des sogenannten Grünbuches kommt, das die Positionen aller relevanten Interessengrup-pen mit einbezieht – Politik zum Anfassen. Die von den Schülern vertretenen Gruppen bestanden aus der Europäischen Kommission, Interes-senvertretern von Umweltschutz und des World Food Programms, sowie Lobbyisten der Industrie und aus der Landwirtschaft . Zu zweit beziehungsweise zu dritt bekamen die Schüler Zeit, sich mit vorbereiteten Materialien mit ihren Interessengruppen und deren Zielen vertraut zu machen. An-hand von selbst gewählten Namen und eines Plakates bereiteten sie sich darauf vor, ihre Organisati-on in einer Pressekonferenz vorzustellen.
Nach der Präsentation ihrer Interessenorganisationen begannen die Schüler mit der Planung der Anhörung. Anhand der von Frau Ladwig-Tils vorgestellten „MAMA“-Methode wurden Argumente gesammelt und Strategien und Koalitionen erarbeitet. „MAMA“ steht für Maximalziel, Alternativen, Minimalziel und dem Abbruchszeitpunkt der Verhandlungen. Was wollen wir bis zu welchem Zeit-punkt erreichen, worauf können wir uns einlassen und wann ist es Zeit, ein anderes Thema zu disku-tieren? Das waren Fragen, die sich die Schüler in dieser Phase des regen Austauschs stellten.
Anschließend wurde die Anhörung durchgeführt, die die Mitglieder der Europäischen Kommission leiteten. Da Biosprit die gleiche Menge an Kohlenstoffdioxid aufnimmt, wie er freisetzt, war die erste Frage der Kommission, wie dessen Erzeugung und Transport ebenfalls möglichst umweltfreundlich vonstattengehen könnte. In einer regen Diskussion tauschten die Schüler Argumente aus, gingen auf einander ein und ergänzten sich. Sie lernten dabei ganz automatisch Faktenwissen, kommunikative Kompetenzen und das Strukturieren einer zu klärenden Frage. Außerdem wurden die globalen Aus-wirkungen des Biosprits besprochen. Es ging darum, wie verhindert werden könnte, dass Anbauflä-chen von Nahrungsmitteln in Entwicklungsländer verlagert und so die Nahrungsmittel teurer werden.
Die Projektleiterin Frau Ladwig-Tils führte die gesammelten Ideen und Argumente abschließend zu-sammen, um sie mit dem tatsächlich stattgefundenen Prozess in der Europäischen Kommission zu vergleichen. Sie verdeutlichte den Schülern damit, wie Gesetze entstehen und wie viel Einfluss und Vorarbeit bei Interessenvertretern liegt. Außerdem machte sie darauf aufmerksam, wie die Schüler selbst aktiv werden und Stellung zu jedem Grün- und Weißbuch der EU im Internet beziehen können (www.eu-kommission.de). Auch inhaltlich waren parallele Strukturen zwischen Realität Planspiel zu erkennen. So wurde beispielsweise entschieden, dass zur Biospritherstellung in der EU keine Produk-te aus Entwicklungsländern mehr verwendet werden dürfen, wie dies auch von den Schülern vorge-schlagen wurde. So sind kürzere Transportwege in der Produktion, sowie die Verhinderung der Ver-nichtung von Landwirtschafts- und Regenwaldflächen besser gewährleistet.
Am Ende des Projektes wurden die Schüler nach ihrer Meinung gefragt. Das Projekt fand insgesamt großen Anklang bei den Schülern, die sich sowohl über die Art des „nebenbei Lernens“, wie über die „gute Organisation“ und das „Vertreten fremder Meinungen“ freuten. Auch die Frage, ob sich diese Planspiele finanziell lohnen, wurde mit dem Hinweis bestätigt: „Es müsste noch mehr solcher The-men geben, da Politik so am praktischen Beispiel verständlich wird.“
Soviel zu einem meiner Meinung nach mehr als gelungenem Projekttag im Rahmen der Umweltschu-le. Wer hätte gedacht, dass Politik und das Ringen nach einer sinnvollen Zukunft so interessant und kontrovers sein können?
Mit freundlichen Grüßen
Benjamin Scholl
(Praxissemester-Lehramtsstudent der FSU Jena im Wintersemester 2011/12 im SBSZ Göschwitz)